Bauernschläue und des Pfarrers List


Anfang des 17. Jh., kurz nach dem Beginn des 30-jährigen Krieg, kämpfte ein Pfarrer um seinen Zehnt.




Im 17. Jh. war der Alltag der Menschen im Rheinland, so auch in Kirdorf, stark von der katholischen Kirche geprägt. Mit der Sendordnung, einem katholischen Regelwerk, wurden Bestimmungen zum geistlichen und sittlichen Verhalten und Zusammenleben erlassen, die der Pfarrer zusammen mit den Sendschöffen (ausgewählten Gemeindemitgliedern) vor Ort überwachte.

Send ist ein Begriff aus dem Kirchenrecht. Im Sendgericht (auch Sinode genannt) wurden die Sünden und Laster der Gemeindemitglieder behandelt und gerügt. Auch in Kirdorf gab es eine Sendordnung. Diese regelte z.B., dass an allen Sonn- und Feiertagen die Gemeindemitglieder bei Strafe von 2 Pfund Wachs den Gottesdienst in der Kirdorfer Kirche zu besuchen hatten. Und es war wohl Brauch, dass der Pfarrer nach dem Gottesdienst von der Kanzel herab den Erntebeginn bekannt gab. Vorher durfte nicht geerntet werden.

Vor Ort war der Pfarrer eine bestimmende Persönlichkeit. In der Gemeinde Kirdorf hatte der Pfarrer auch die Aufgabe, die Kinder aus Kirdorf und Blerichen zu unterrichten. Die Kosten für den Unterricht mussten von der Gemeinde bzw. den Familien der Schulkinder getragen werden. Ein Gehalt, von welcher Seite auch immer, erhielt der Pfarrer nicht. Seine Dienste mussten extra bezahlt werden. Das Grundeinkommen eines Pfarrers bestand jedoch aus dem Zehnten. Diejenigen, die eine Pfarrstelle stifteten (einrichteten), besaßen meist große Ländereien, die sie an Bauern verpachteten. Einige dieser Pächter mussten den Zehnten (früher meist zehn Prozent der Erträge) an den Pfarrer abführen. Damit sicherte der Pfarrstifter dem Pfarrer ein Grundeinkommen.

Die Kirdorfer Bauern mussten einen Teil ihrer Ernte, den Zehnten, an den örtlichen Pfarrer abgeben. Anscheinend war es hier so geregelt, dass der Pfarrer sich von den Bauern sagen ließ, wo sein Zehnt auf dem Feld lag. Er durfte anscheinend selbst ernten.

1623 war Johann Reckum Pfarrer in Kirdorf. Er klagte schon seit Jahren. Zuerst mit mahnenden Worten, später wohl etwas eindringlicher von der Kanzel herab. Der Grund war sein Zehnt. Die Bauern säten und ernteten mühsam das, was sie angebaut hatten. Nach der Ernte überließen sie dem Pfarrer die Ernte auf einem Stück Acker. Dabei waren sie so schlau, dem Pfarrer den Rest des Ackers zu überlassen, der von geringerer Qualität und geringerem Ertrag war und den sie am ehesten verkraften konnten. In diesem Jahr war das Fass übergelaufen und Reckum wollte endlich handeln, schließlich hatte er lange genug auf Einsicht gehofft.


Pferdekarren
Am 16. Juli war es dann soweit. Morgens gegen acht Uhr hörten die erstaunten Kirdorfer einen Pferdekarren durch den Ort fahren. Er war schwer beladen mit Getreide. Das erstaunte die Kirdorfer umso mehr, als der Pfarrer den Erntebeginn noch nicht verkündet hatte und somit eigentlich niemand ernten durfte. Wer hatte also gegen die Regel verstoßen?


Oben auf dem Wagen saß Pfarrer Reckum. Er hatte sich seinen Zehnten diesmal selbst ausgesucht, geerntet und brachte nun seine Beute, zum Erstaunen der verdutzten Kirdorfer nach Bedburg.

Am nächsten Morgen in der Kirche hofften alle Kirchgänger, mehr über diese Aktion zu erfahren. Gut gelaunt und mit knappen Worten verkündete er den Anwesenden, dass ab sofort mit der Ernte begonnen werden könne.



© Heinz-Toni Dolfen 2020