Die Geschichte von Kirdorf


Erstmalige Erwähnung in dieser Urkunde im Jahre 898

Übersicht


Die Geschichte vom Raum und Ort Kirdorf beginnt mit den steinzeitlichen Funden in unserer Gegend.
(auch Kirihdorp, Kyrdorp, Kircdorp, Kyrdorpff, Kirdorp, Kierdorf)



Sowohl im Mesolithikum (8.000 - 5.500 v. Chr., Mittelsteinzeit) als auch im Neolithikum (5.500 - 2.200 v. Chr., Jungsteinzeit) war das Einzugsgebiet des Finkelbaches für den Menschen interessant. Die Lössböden des Umlandes und das Wasser des Finkelbaches waren Voraussetzung für Siedlungen.

Steinzeitliche Fundstellen in Kirdorf


Der Finkelbach muss damals und auch später ein sehr wasserreiches Fließgewässer gewesen sein. Noch im Mittelalter war der Finkelbach so wasserreich, dass er mehrere Wassermühlen antrieb.

So belegen Funde aus der Steinzeit eine frühe Siedlungsgeschichte in unserem Raum. Der Finkelbach ist wie Nieder- oder Oberembt ein keltischer Name, die Erft wie auch viele Fluss-, Berg- und Ortsnamen im Rheinland. Die Völker unserer Region sind uns nicht namentlich bekannt. Oft werden sie nach der Art ihrer Töpferei als Bandkeramische Kultur, Trichterbecherkultur, Linienbandkeramik usw. bezeichnet.

Erst seit die griechischen und römischen Geschichtsschreiber die Völker der Region benannt haben, kennen wir ihre Namen.

Unser Gebiet wurde wahrscheinlich von den Kelten besiedelt, die als ein Volk gelten, das seit Urzeiten hier lebte. Als die Völker Namen bekamen, siedelte bei und das Volk der Eburonen. Bekannt wurde dieses Volk durch seinen Kampf (58-51 v. Chr.) gegen Julius Cäsar und den damit verbundenen Aufstieg Julius Cäsars. Die Eburonen wurden 53 und 51 v. Chr. in Schlachten von den Römern entscheidend geschlagen und treten danach als Volk nicht mehr in Erscheinung.

Gebiet der Eburonen


Man geht davon aus, dass die Eburonen zu dieser Zeit noch nicht sehr lange als Machtfaktor präsent waren. Möglicherweise traten sie durch dominante Verbindungen mit anderen Stämmen und durch die Stellung der Könige (wie Julius Cäsar ihre Anführer nannte) hervor.

Nach dieser Zeit war unsere Region dünn besiedelt, wie Untersuchungen und Pollendiagramme zeigen. Die Anbauflächen gingen zurück, die Bewaldung nahm zu. Dies wird neuerdings nicht mit dem Krieg Caesars und der Vertreibung der Eburonen in Verbindung gebracht, da die römischen Aktionen gegen sie eher in hügeligen, stark bewaldeten Gebieten stattfanden. Der Grund für diesen Rückgang ist unbekannt.

Es ist unklar, ob die Eburonen Kelten oder Germanen waren. Sie hatten sowohl keltische als auch germanische Wurzeln. Eine Vermischung der Völker, wie sie in vielen Misch- oder Grenzgebieten üblich war. Der Rhein trennt die Völker und gibt eine grobe Einteilung vor. Rechts des Rheins die Germanen, links des Rheins die Kelten. Unser Raum war ein „Mischgebiet“.

Nachdem Caesar in unsere Region gekommen war, ließen sich die Römer hier dauerhaft nieder. Sie gründeten vor allem entlang des Rheins Militärlager, aus denen später Städte wurden. Das Militär und die Bewohner der Städte brauchten Nahrung. Das Ackerland, die Weiden für die Pferde usw., all das lag links des Rheins. Man errichtete römische Landgüter (villa rustica).

Beim Bau der Bandanlage (heute Speedway) wurde bei Kirdorf eine „villa rustica“ aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. entdeckt. Auch römische Gräberfelder, so genannte Brandgräber, wurden hier entdeckt.

Militärlager und Gutshöfe wurden miteinander verbunden, die Römerstraßen entstanden.

Schema einer"villa rustica" © Manuel Heinemann
 Informationen zur villa rustica bei Kirdorf siehe
 Das Römische Landgut bei Bedburg-Kirdorf



Römerwege in Kirdorf

Kirdorf war wahrscheinlich der Kreuzungspunkt zweier Römerstraßen. Die Verbindung Neuss - Zülpich führte über Desdorf, Kirdorf, Lipp, Kaster und Königshoven. Eine weitere Straße Köln - Maastricht verlief entlang des Finkelbaches von Glesch über Kirdorf nach Niederembt.

Eine Neuordnung unter Marcus Vipsanius Agrippa führte in den Jahren 19/18 v. Chr. zur Umsiedlung germanischer Verbündeter, der Ubier, in unser dünn besiedeltes Gebiet. Ihr Hauptwohnsitz, das Oppidum Ubiorum, wurde später zu Köln (Colonia Claudia Ara Agrippinensium). Auch Nörvenich ist ein frühes ubisches Zentrum.

Unser Gebiet scheint nach einem Schema in Einzelhöfe aufgeteilt worden zu sein. Das Land wurde also vermessen, parzelliert und dann an Interessenten vergeben. Die Höfe hatten in der Regel eine Größe von 50 ha (500.000 m²) und boten ca. 50 Personen ein Zuhause. Für die Bearbeitung einer solchen Fläche waren nach römischen Angaben zwei Ochsengespanne und 10 bis 20 Feldarbeiter erforderlich. Zur Erntezeit wurden wahrscheinlich zusätzliche Arbeitskräfte, sogenannte „operarii“, herbeigeschafft und eingesetzt, wie es auch in Italien üblich und beschrieben war.

Diese Höfe lassen sich im Wesentlichen ab der Mitte des 1. Jh. nachweisen. Zu dieser Zeit wurden die Holzhäuser durch Steinbauten ersetzt. Holz verrottet und ist daher kaum mehr nachweisbar, zudem wurden viele Steinhäuser auf der Grundfläche der Holzhäuser errichtet. Dies ist z.B. bei einer Ausgrabung in Oberembt zu beobachten.

Unser Gebiet war zu dieser Zeit relativ dicht besiedelt. Der Wald war bereits zurückgedrängt, aber noch nicht verschwunden, wie Pollendiagramme zeigen. Die Böden waren sehr fruchtbar, wie Plinius der Ältere (römischer Offizier) aus eigener Anschauung berichtet.

In römischer Zeit wurde das Reich von einer Pandemie heimgesucht. Die Antoninische Pest, wie sie genannt wird, wütete von 165 bis 190 n. Chr. im ganzen Reich. Eine spätere Seuche, die Cyprianische Pest, wütete um 250 bis 270 n. Chr. ebenfalls im gesamten Römischen Reich. Ob unsere Region bzw. Kirdorf davon betroffen war, ist nicht bekannt.

Die Römer bestimmten über 500 Jahre das Leben in unserer Region.

Im 3. Jahrhundert n. Chr. wurde es an den Rheingrenzen unruhiger. Um 256/57 drangen erstmals Franken am Mittel- und Niederrhein in römisches Provinzgebiet ein. Immer neue Vorstöße der Franken brachten Unruhe in unsere Region.

Im Dezember 355 fielen sie in das linksrheinische Gebiet ein, eroberten Köln und weitere 40 größere Städte. Sie zerstörten und plünderten die römischen Gutshöfe, darunter auch einen Hof in Jülich-Kirchberg, der archäologisch gut nachgewiesen ist.

Köln wurde zwar zurückerobert, aber mit dem Abzug der römischen Soldaten vom Rhein (ab 401), einem erneuten Einfall um 454 und der erneuten Eroberung Kölns durch die Franken endete die römische Herrschaft am Rhein. Die längst romanisierten Ubier und die zurückgebliebenen Römer wurden zusammen mit den Franken zu den Ripuarern, auch Rheinfranken genannt.

Die Franken, einer der großen germanischen Stämme, ein Bündnis von Stämmen wie den Chamaven, Chattuarern, Brukterern, Sugambrern, Tenkterern, Tungerern und anderen, hatten die Macht in unserer Region übernommen. Zuvor hatte ein großer Teil der Franken in römischen Kriegsdiensten gestanden.

Sie waren nicht nur Krieger, sondern auch Bauern. Sie nahmen das Land in Besitz und errichteten eigene Höfe mit Fachwerkhäusern und Ställen. Eine Gruppe zusammenhängender Höfe nannte man Weiler.

Karte der germanischen Stämme zw. 50–100 n. Chr. © Ziegelbrenner, Wikimedia Commons


Meist ließen sie die römischen Steinbauten verfallen. Auch die römische Infrastruktur wie Wasserversorgung oder Kanalisation wurde nicht weiter gepflegt und verfiel mit der Zeit. Wälder, Wiesen usw. wurden zu Allmenden, sie gingen in den Besitz der Dorfgemeinschaften über. Größere Güter wurden später als Fronhöfe (von althochdeutsch frô „Herr“) in den Besitz von Großgrundbesitzern überführt, von denen einige noch heute existieren.

In der Merowingerzeit (5.-7. Jh.) war die Besiedlung sehr dünn, erst Ende des 7. Jh. nahm die Bevölkerung deutlich zu. Die Franken teilten das Gebiet in Gaue ein. Neben dem Kölngau gab es den Jülichgau und später den Kützgau, zu dem auch Kirdorf gehörte. Große Teile des Kützgaues waren Königsgut.

In den Jahren 535 und 536 n. Chr. kam es in vielen Landesteilen zu Missernten, so auch in unserem Gebiet. Ursache waren niedrige Temperaturen und Schnee im Sommer. Quellen wie Prokopios (frühbyzantinischer Geschichtsschreiber) berichten für das Jahr 536

„Die Sonne nämlich entsandte ihr Licht ohne Strahlen während diesen ganzen Jahres, wie der Mond, und ganz wie bei einer Verfinsterung war ihr Glanz, nicht rein, wie gewöhnlich. Und seit dies geschehen, haben Krieg und Hunger und alle tödlichen Verderben nicht mehr abgelassen von den Menschen.“

Der Legende nach bekehrte Willibrord (658-739) die Einwohner von Kirdorf zum Christentum und ließ an Stelle der heidnischen Symbole eine Kirche errichten. Entweder, indem er eine Quelle entdeckte oder indem er das schlechte Wasser eines Brunnens oder einer Quelle in sauberes Wasser verwandelte.

Diese Legende ist jedoch weit verbreitet. Jedenfalls erinnern sich die Kirdorfer noch heute daran, dass es im Bereich der alten Mühle bis in die 1940er Jahre eine Wasserquelle gab. Neben dem Brunnen wurde eine kleine Kapelle errichtet, die später durch einen Neubau direkt über dem Brunnen ersetzt und 1966 abgerissen wurde. Das Quellheiligtum zog zahlreiche Pilger an, die das Wasser des Brunnens mit nach Hause nahmen.

Es gibt nachweislich eine Verbindung zwischen Kirdorf und Willibrord.



Dieser war im Kloster Echternach (Luxemburg), das auch Besitz in Kirdorf hatte. Die Kirdorfer Kirche, vermutlich von Willibrord um 700 gegründet, ist die älteste Kirche im Kützgau und eine der ältesten Kirchen in unserer Region. Kirdorf gehörte zum Kützgau im fränkischen Gauverband. Die Kirchen wurden damals aus Holz gebaut.
Kirdorf gehörte im fränkischen Gauverband zum Kützgau. Die Kirchen wurden zur damaligen Zeit in Holz gebaut.

Das aus dem Fränkischen stammende Wort Kirihdorp bedeutet Kirchdorf, aus dem später Kirdorf wurde .

Willibrord fand also vor dem Bau der Kirche und der Bekehrung der Bevölkerung hier "Heiden" vor. Es muss also schon vor 700 eine Siedlung gegeben haben. Dafür spricht, dass es eine Römerstraße von Glesch über Kirdorf nach Niederembt gab. Auch das Finkelbachtal wurde bereits in der Steinzeit von Menschen als Siedlungsraum genutzt, so dass es sich bei dem „Römerweg“ um einen noch älteren Weg handeln könnte, der von den Römern nur weiter genutzt wurde.

Geht man von obigen Annahmen aus, so kann der Name Kirdorf/Kirchdorf erst um 700 oder später entstanden sein, eine Neugründung wird es nicht gewesen sein.

Wie aber hieß der Ort davor?

Auffällig ist auch, dass die nächsten Nachbarorte Glesch (Classiacum) und Blerichen (Bladeriacum) jeweils einen römischen Ortsnamen haben und auch Funde aus der Römerzeit aufweisen, Kirdorf aber fränkischen Ursprungs sein soll.


Der Name Kirdorf wird erstmals 898 schriftlich erwähnt.

König Zwentibold von Lothringen schenkte dem Damenstift Essen, der Äbtissin Wikburg zu Essen, Güter im Cuzzihgeuue.

Dazu gehörte auch der Ort Kirihdorp (Kirdorf). Unter Cuzzihgeuue ist der Kützgau mit den in der Schenkung genannten Orten Zieverich (Ziviraha), Manheim (Manunhem), Kütz (Cuzzide, Ort untergegangen) und Radesdorp (Ort unbekannt, evtl. Desdorf) zu verstehen.


Schenkungsurkunde


In nomine sanctae et indiuiduae trinitatis. Zuentebolchus misericordia die rex. Si ecclesias christi uarie honoramus credimus hoc ad honorem nobis presentialiter nec non et ad futurum animae nostrae pertinere remedium. Ideoque nouerit fidelium nostrorum presentium et futurorum prudentia. Qualiter dilectissima coniunx nostra Oota. Nec non et unerabilis comes otto. Nostram adierunt clementiam. Ut cuidam uenerabili coenobio. Astnide uocato. Quod est constructum in honore beate die genitricis mariae. Et sancti saluatoris. Nac non et beatorum martirrum et cosmae et damiani. Cetrorumque innumerabilium sanctorum. Quo sanctimonialis femina nomine vuisburc. Famulabus inibus deo seruientibus. Preesse uidetur. Quasdam res proprietatis nostrae concederemus in proprium.

Quibus nos petentibus. Aurem pietatis nostrae accommodantes. Antenominato coenobio uelet postulauerent donauimus.

Quod est in pago coloniensi in uilla. Hohingesdorp. Et in colonia ciuitate. Et selstene. Et guntherisdorp. Et in pago aregueue, in uilla pisshunem. Inter totum hobam salicam et ecclesiam et XI. Mansos seruiles. Nec non et in pago cuzzihgeuue. Et in coloniensi. In uillis kirihdorp. Ciuirha. Mannunhem. Cuccide. Rudesdorp. Cloulo hobam salicam cum aliis XII. Et ecclesia. Et in pago magnensi in uilla pruteca. Terra arabilis cum curtile et uineis. In pago uero muolla et inlihgeuue. In uillis holtuuilare. Brismike. Curnilo. Hustine. Buhslar. Furtmala. Hoba salica et alias XX. Et in pago. In ascuuerid hoba I. Quocirka presens auctoritatis nostrae preceptum fieri iussimus. Per quod firmiter statuimus ut prenominatrae res cum omnibus sibi iuste conherentibus terris. Ecclesiis. Uineis. Mancipiis. Siluis. Aquis. Aquaeumque cursibus. Molendinis. Piscationibus. Quesitis et inquirendis. Ad prememoratum coenobium perpetualiter pertineant. Nulla ulterius inquietante persona. Quod ut firmiori tradatur auctoritati. Ipsi hoc subtus roborantes firmauimus. Annaloque nostro insigniri iussimus.

Signum domni Zwentebolchi glorosissimi regis. Uualtgerus notarius ad uicem rtpoti archiepiscopie archique cancellarii recognoui et s. Data. II. non iunii. Anno incarnatius domini. DCCC.XC.VIII. Indoctione. I. Anno uero regis piisimi Tuentibolchi. III. Actum ipso in monasterio sacrosancto die pentecoste. Astnide nuncopato. In die nomine feliciter
amen.

Originaltext der Urkunde von König Zwentibold vom 04. Juni 898


Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Zwentibold, durch Gottes Gnaden König. Wenn wir die Kirche Christi mannigfaltig auszeichnen, glauben wir, daß die nicht nur gegenwärtig zu unserer Ehre, sondern auch dem zukünftigen Heil unserer Seele dient. Daher soll es zur Kenntnis aller unserer Getreuen, sowohl der jetzt lebenden wie auch der zukünftigen, gelangen, dass unsere liebe Gattin Oda sowie auch der ehrwürdige Graf Otto unsere Milde angerufen haben, dass wir einem gewissen ehrwürdigem Kloster, mit dem Namen Astnide bezeichnet, welches errichtet worden ist zur Ehre der seligen Gottesmutter Maria und des heiligen Erlösers, sowie zu Ehre der seligen Märtyrer Cosmas und Damianus und anderer unzähligen Heiligen, wo eine geistliche Frau namens Wigburg den dort Gott dienenden Mägden als Äbtissin vorsteht, gewisse, uns zugehörige Güter zu Eigentum übertragen. In dem wir diesen Fürbitten unser gnädiges Ohr zugeneigt haben, haben wir dem vorgenannten Kloster, gemäß den Ansuchen, als Geschenk übertragen.

Ein Gut im Dorf Hohingesdorp im Kölngau, die Güter Selstena und Guntherisdorp in der Stadt Köln, eine Königshufe, die Kirche und 11 hofesanhörige Mansen im Dorf Pissenheim im Ahrgau, je eine Königshufe mit anderen 12 diensthörigen Mansen in den Dörfern Kirdorf, Zieverich, Manheim, Küzzede, Desdorf und Gleuel im Künzig und Kölngau. Im Dorf Bruttig das Ackerland mit der Hofesstätte und den Weinbergen im Mayengau. Ferner im Mühl- und Jülichgau in den Dörfern Holzweiler, Borschemich Niederzier, Kleinbouslar, Mülforth, je eine Königshufe und 20 andere Mansen.

Deshalb haben wir den Befehl erteilt, gegenwärtiges Dokument unserer Willensmeinung anzufertigen, wodurch wir ernstlich verordnen, daß vorgenannten Güterkomplexe mit allen rechtlich dazugehörenden Ländereien, Kirchen, Weinbergen, Dienstleuten, Wäldern, Wasserläufen, Mühlen, Fischteichen in das Eigentum des vorgenannten Klosters übergehen sollen.

Damit diesem Akt beständige Rechtskraft beigemessen wird, haben wir die Urkunde unten durch Abdruck unseres Ringes bekräftigt und bestätigt.

Zeichen des Herren Zwentibold, des ruhmreichsten Königs und des Notars Waltgerus. Gegeben am 2. Tag der Nonen des Juni, im Jahre der Menschwerdung DCCC.XC.VIII., in der ersten Indiktion, im vierten Jahr der Regierung des gerechten Königs Zwentibold. So geschehen im heiligen Kloster selbst, Astnide genannt, am Pfingsttag. Segen im Namen Gottes
Amen.

Übersetzung der Urkunde von König Zwentibold vom 04. Juni 898



Mit der Schenkung des Gebietes Kirdorf von Zwentibold an die Äbtissin Wikburg zu Essen ging der dortige Oberhof in den Besitz des Stiftes Essen über. Zum Oberhof gehörten noch kleinere Höfe (Fronhöfe), außerdem wurden vom Oberhof die Mühlen in Kirdorf, Glesch, Ahe und Haideweg verwaltet. Später wurde der Oberhof geteilt und ein Teil der Höfe und Mühlen dem Oberhof in Paffendorf zugeschlagen. Die führende Rolle des Stiftes Essen ging später verloren, die Grundherrschaft fiel an die Abtei St. Pantaleon in Köln.

Um 1200 werden mehrere Mühlen am Finkelbach erstmals urkundlich erwähnt, darunter die Kirdorfer Mühle. Der Bach scheint eine Scheidelinie zwischen den Bewohnern des Nordens und des Südens gewesen zu sein. Über Jahrhunderte hinweg war er die nördliche Grenze für das Nutzungsrecht des Bürgerwaldes (Bürger verschiedener Orte hatten das Recht, im Wald Holz zu schlagen, Kirdorf gehörte nicht dazu) und eine Dialektgrenze.

 Informationen zur Kirdorfer Mühle siehe
 Kirdorfer Mühle

Um 1306 hieß der Vogt von Kirdorf Johann, Herr von Reifferscheid (Herr zu Bedburg). Den Schutz, den die Herren von Bedburg über Kirdorf ausübten, ließen sie sich bezahlen. Im Jahre 1385 waren dies z.B. je 4 Malter Korn und Roggen.

Johann II. zu Reifferscheid-Bedburg erhielt Kirdorf um 1300 als Pfand. Bedburg war als kurkölnische Unterherrschaft ein strategisches Pfand der Kölner Erzbischöfe gegenüber den umliegenden Gebieten der Grafen von Jülich.

Der Oberhof zu Kirdorf bzw. später der Hof zur Kirdorf bestimmte das Geschehen um Kirdorf.

Mit Pachtvertrag vom 20. Januar 1385 wurde der Kirdorfer Hof von Reiners zu Reifferscheid an das Stift Essen verpachtet. Er erhielt dafür eine Erbzinsrente von jährlich 4 Malter Korn und ebenso viel Roggen.

Verheerende Regenfälle und daraus resultierende Missernten führten in den Jahren 1315 bis 1317 in Europa, vor allem in Deutschland, zu einer Hungersnot, der wahrscheinlich 5 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Ganze Dörfer starben aus und wurden zu Wüstungen (verlassene Dörfer). Auch unser Dorf blieb nicht verschont.

Die Äbtissin Katharina des Essener Stiftes ließ sich 1357 vom römischen Kaiser und böhmischen König Karl IV. die Privilegien von „Kircdorp“ erneut bestätigen.

Mit Pachtvertrag vom 18. Dezember 1413 übernahm ein Wynrich Buck van Emme den Hof zu Kirdorf.

Es kam zu einem Vergleich (Urkunde vom 5. Juli 1443) zwischen dem Damenkapitel und dem Grafen Wilhelm von Limburg, Herr zu Bedburg, in ihrem früheren Streit, wodurch der Hof zu Kirdorf in Besitz genommen wurde, den Grafen aber die im Stift Essen zu beziehende Rente vorenthalten wurde.

Die Jahre 1437 bis 1440 waren geprägt von sehr kalten und extrem langen Wintern, warmen und regenreichen Sommern und späten Frosteinbrüchen. Diese besonderen klimatischen Verhältnisse führten zu einem enormen Anstieg der Getreidepreise und zu Hungersnöten.


Bericht über den Kirdorfer Hof von 1353


Ab 1481 übernahm laut Pachtvertrag ein Andreas Wevell den Hof zu Kirdorf. Ein Herman Smedes kam dann ab 1507. Eine Frau Bertha Wivels taucht 1578 in einer Urkunde auf, wo von einem Hof und 2,5 Morgen im Kirdorfer Feld die Rede ist. Die Nachkommen dieser Frau klagten gegen Arnold von Kirdorf (siehe unten). Conrad Beer pachtete 1579 den Hof zu Kirdorf, ab 1588 ein Heinrich Hertten.

Die Eheleute Gerhard Krosch und Christina (Stein) Beindtheuwers verkauften am 6. März 1604 vor den Schöffen des Stadt- und Hauptgerichts zu Bedburg (Goswin Artopaens, Vogt, und Hermann Peiffer, Christian Schmich u. a.) an den Prior Heinrich Urbach und an die Eheleute Conrad Beer. ) dem Prior Heinrich Urbach und dem Konvent des dortigen Klosters eine jährliche Rente von 10 Talern (zu 52 Albus) und 2 Gänsen für 200 Taler und verpfänden dafür ihr näher bezeichnetes Haus und Hof zu Kirdorf sowie eine an der Bache gelegene Wiese nebst einigen Ackerstücken, die zum Teil an Ländereien des Junkers Holtorf angrenzen.

Der Zehnt zu Kirdorf, der sich 1767 auf 613 Morgen Land erstreckte, war zur Hälfte an den Pächter des Hofes verpachtet. Die andere Hälfte war anderweitig verpachtet, ihr Zehnt stand der Kirdorfer Pfarre zur Verfügung.

Im Jahre 1358 besaß auch das Kapitel von St. Aposteln in Köln Grundstücke in Kirdorf. In einer Urkunde vom 29. August verzichtete der Sohn des Gobel Siberts auf die 30 Hufen Land zu Kirdorf, die diesem Stift gehörten. Der Verzicht wurde vor den Schöffen von Bedburg und den Bauern von Kirdorf erklärt. Am 23. Februar 1380 wurden diese 30 Morgen Land, gelegen zwischen Niederembt und Kirdorf, an den Knappen Congin von Kyrdorp für jährlich 10 Malter Roggen verpachtet.

Im Pachtvertrag vom 26. Januar 1425 mit den Siegeln des Grafen Wilhelm von Limburg, Herrn zu Bedburg und Broich, und Johanns von Reifferscheid wurden die 30 Morgen von St. Aposteln an Stinchen Stachen für 12 Jahre für jährlich 7 Malter Roggen verpachtet. Das waren 30% weniger Einnahmen für das Stift als 1380.

Bei einer Neuverpachtung, Vertrag vom 12. November 1478, konnte die Jahrespacht jedoch auf 8 Malter Roggen erhöht werden. Für 12 Jahre pachteten die Eheleute Peter von Stralen. Der Vertrag wurde von Everhards von Dülken, Vogt zu Bedburg, besiegelt. Dieses Ackerland wurde 1492 für 6 Jahre an die Eheleute Hermann Esser weiter verpachtet.

Um 1452 erscheint erstmals ein Johann von Kirdorf im Zusammenhang mit seiner Nomination und dem Zoll zu Geyen. In einem Rechtsstreit zwischen 1570 und 1579 um den Anspruch auf den Hof und den halben Zehnten zu Kirdorf ist ein Adolf von Kirdorf die Hauptperson.

Adolf behauptete, seine Abgaben rechtmäßig an die Äbtissin des Essener Stifts geleistet zu haben. Nicolaus Reppelmund war mit dem Kirdorfer Hof belehnt worden, den er 1565 von der Äbtissin Irmgard geb. Gräfin von Diepholz gekauft hatte. Adolf verweigerte Reppelmund die höhere Pacht mit der oben genannten Begründung. Er argumentierte weiter, dass der Hof nicht der Äbtissin persönlich, sondern dem Stift Essen gehöre und sie ihn daher nicht verkaufen könne.

Wegen dieser Weigerung soll Gotthard von Oldenburg, Amtmann zu Bedburg im Auftrag des Grafen Hermann von Neuenahr und Moers, am 10. Juli 1574 nachts mit 40 Bewaffneten das Haus des Adolf überfallen haben, um ihn festzunehmen. Adolf war jedoch bereits am Vortag trotz einer Verwundung mit Hilfe seiner beiden Töchter entkommen.

In der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 1575 wurde Adolf vom Bedburger Amtmann Daem Wildrodt überraschend gefangen genommen und bis zum 14. Februar zunächst in einer Kammer, dann in einem Turm eingesperrt. Dagegen erhob Adolf, vertreten durch seine Frau Gertrud, Klage wegen Landfriedensbruchs und auf Unterlassung weiterer Drohungen und Gefangennahmen.

1575 klagte Adolf gegen Graf Hermann von Neuenahr und Moers, weil er sich von diesem unter Druck gesetzt fühlte, ihm 200 Goldgulden zu zahlen. Adolf von Kirdorf zahlte nicht und entzog sich seiner Verhaftung durch Flucht, woraufhin der Graf drei Pferde auf dem Hof des Adolf von Kirdorf ausspannen ließ und mitnahm.

Adolf und Graf Hermann von Neuenahr und Moers scheinen keine Freunde gewesen zu sein. Graf Hermann klagte vor den Schöffen zu Fliesteden, dass er Adolf nicht erlaubt habe, vor 18 oder 20 Jahren zum Schaden des Grafen auf dem Damm am Teich eine Wassermühle zu errichten und dort für diejenigen zu mahlen, die vorher in der Mühle des Grafen zu Bedburg mahlen ließen. Außerdem habe Kirdorf den Grafen und seine Amtleute in einem Wirtshaus im Herzogtum Jülich beleidigt.

Schließlich habe er ohne Erlaubnis zwei Gräben ausgehoben. Aus all diesen Gründen seien die Maßnahmen des Grafen als Landesherrn gegen ihn gerechtfertigt.

Hermann Pfeiffer von Kirdorf prozessiert 1588 für sich und seine Ehefrau sowie für alle Erben des Adolf von Kirdorf gegen Elisabeth Gräfin zu Sayn, Äbtissin des freiweltlichen Stiftes zu Essen, auf Erstattung der in dem unteren Rechtsstreit entstandenen Prozesskosten. Adolph, langjähriger Pächter eines dem Stift gehörenden Hofes und Zehnten in Kirdorf, hatte gegen die frühere Äbtissin, die den Hof verkauft und seine Entlassung betrieben hatte, geklagt und schließlich vor dem Reichskammergericht Recht bekommen.

Da im Prozess um die Erstattung der Prozesskosten der Name „von Kirdorf“ nicht mehr auftaucht, ist davon auszugehen, dass es keinen männlichen Erben mehr gab.

Hintergrund Anspruch auf den Hof:

Nach einem Vertrag von 1385 zwischen der Äbtissin Elisabeth von Nassau und dem Grafen Reinhard zu Reifferscheid, Herr zu Bedburg, hatte der Graf den Hof für jährlich vier Malter Korn und Roggen unter Schutz und Schirm genommen.

Nach Verpachtungen 1389 durch Elisabeth und 1413 durch Margarethe von der Mark verpfändete die Äbtissin Meina von Daun, Gräfin zu Oberstein, Hof und Zehnt 1515 für 600 Goldgulden an Arnold Oberstein, Domherr zu Essen.

1522 verpachtete die Äbtissin Margarethe von Beichlingen die umstrittenen Güter an die Schwiegereltern des Adolf von Kirdorf.

Irmgard von Diepholz erhielt daraufhin als Pröpstin von der Äbtissin Katharina von Tecklenburg die Erlaubnis, die Güter von den Obersteiner Erben auszulösen, wurde dadurch aber nicht Eigentümerin, sondern trat lediglich in die Rechte des Adolf von Oberstein ein.


Eine Frau Bertha Wivels wird 1578 urkundlich erwähnt, als sie schon über 30 Jahre tot war. Sie besaß einen Hof und 2,5 Morgen in der Kirdorfer Feld. Bertha Wivels heiratete einen Lenz aus Kirdorf, es war seine zweite Frau. Bertha erbte von ihren Eltern. Lenz dagegen war mittellos „als ein Handwerksgesell“ in die Ehe gegangen. Bertha starb kinderlos. Lenz hatte eine Tochter, die verlangte, dass die 2,5 Morgen an sie als nächste Verwandte fallen sollten. Der jetzige Besitzer Adolf von Kirdorf vereinigte die Ansprüche und behauptete, die Sache sei verjährt, da Bertha und Lenz vor mehr als 30 Jahren verstorben seien.

In einer Urkunde vom September 1578 über eine Erbmesse in der Pfarrkirche St. Mauritius (Köln) erscheint ein Albinus von Kirdorf (Kyrdorpff) als Vollstrecker einer Margarete Witwe des Mauritius von Kempen.

Zu folgenden Personen sind noch Urkunden vorhanden:
Johann von Kirdorf, Steffen von Kirdorf, Gottschalk von Kirdorf

Im August 1642 besetzten hessische Truppen unser Gebiet. Die Kirdorfer flohen nach Bedburg. Einige Ortschaften, darunter auch Kirdorf, wurden niedergebrannt. Auch die Kirdorfer Mühle fiel den Flammen zum Opfer. Das Dorf, die Kirche und die Mühle wurden wieder aufgebaut. Eine Urkunde aus dem Jahre 1660 hält dies fest.

Die Jahre 1618 bis 1648 waren geprägt von großen Hungersnöten als Folge des Dreißigjährigen Krieges. Wie verheerend diese Jahre waren, lässt sich nur erahnen. Im Herzogtum Jülich soll etwa ein Drittel der Bevölkerung diesem erbarmungslosen Krieg zum Opfer gefallen sein. Die Gruppe der Männer zwischen 15 und 60 Jahren soll halbiert worden sein, das ist etwa dreimal so viel wie die gleiche Gruppe in Deutschland im Zweiten Weltkrieg.

Um 1650 gab es in Kirdorf mit Blerichen etwa 34 Bauernhöfe mit einer durchschnittlichen Größe von 11 Morgen. Etwa 15 bis 20 Personen lebten hier.

Das Jahr 1659 muss ein sehr trockenes Jahr gewesen sein, denn die Erft trocknete aus. Es wird berichtet, dass die Fische auf dem Trockenen lagen und so mit der Hand gesammelt werden konnten.

Die Kriege des französischen Königs Ludwig XIV. brachten ab 1668 erneut großes Leid über unsere Region. Die französischen Truppen und die der Erzbischöfe Maximilian Heinrich und Joseph Clemens machten unser Gebiet teilweise zum Kriegsschauplatz.

Nach der Französischen Revolution 1789 kam fünf Jahre später die französische Armee und eroberte das Rheinland. 1798 wurde es dem französischen Staatsgebiet einverleibt. Damit einher ging die Abschaffung des Zehnten und der Feudallasten.

Französicher Reitersoldat


Nach dem Tod von Sigismund Altgraf von Salm-Reifferscheidt im Jahre 1798 beschlagnahmten die Franzosen die Herrschaft Bedburg. Damit endete eine lange Ära der Herrschaft Bedburg.

Kirdorf kam zur Bürgermeisterei Bedburg. Die Franzosen bauten eine effiziente Verwaltung auf. 1801 trat eine Polizeiverordnung in Kraft. Darin wurde auch festgelegt, dass alle Schornsteine regelmäßig überprüft und gekehrt werden mussten. Ein schwerer Sturm am 9. November 1801 verursachte zahlreiche Brände. Bei einer Untersuchung wurde festgestellt, dass "der Kamin dem Strohdach gleichgemacht is", woraufhin dem Kirdorfer Matthias Friedrichs das Feuermachen verboten wurde, bis der Schornstein in Ordnung gebracht war.

Ab 1800 wurde das Führen von Geburts-, Heirats- und Sterberegistern zur Pflicht. Der erste Bürgermeister dieser Bürgermeisterei, Reiner Oeppen, erstellte eine Übersicht über die Einwohner und deren Berufsstruktur.

1803

  • 11 Männer
  • 16 Frauen
  • 27 Jungen
  • 15 Mädchen
Es gab vor allem Tagelöhner, daneben 7 Bauern mit größerem Besitz, 4 Stallknechte und einen Lehrer.

Insgesamt 69 Personen.

1806

  • 12 verheiratete Männer
  • 12 verheiratete Frauen
  • 26 Jungen
  • 13 Mädchen
  • 1  Witwer
  • 3  Witwen
Insgesamt 67 Personen.


folgt



Stand: 2017


Literatur

Eck, Werner

Köln in römischer Zeit.
Geschichte der Stadt Köln, Band 1

Kirchhoff, Hans Georg und Heinz Braschoß

Geschichte der Stadt Bedburg

Kirchhoff, Hans Georg

Mittelalter an Erft und Gilbach

Andermahr, Heinz und Depcik, Uwe

Geschichte der Stadt Kaster
Von den Anfängen bis zur kommunalen Neugliederung 1975

Forum Jülicher Geschichte

Dietmar, Carl

Schatzkammer rheinisches Braunkohlenrevier

Murmann, Hubert

Der Kerpener Raum in römischer Zeit.
Kerpener Heimatblätter, 2-3/2013

Landkreis Bergheim

150 Jahre Landkreis Bergheim.
1816-1966

Hinz, Hermann

Archäologische Funde und Denkmäler des Rheinlandes

Müller, Gustav

Eine befestigte spätrömische Villa rustica bei Oberembt, Kreis Bergheim/Erft.
in RA 10, Bonn 1971

Verein für Geschichte und Heimatkunde Bedburg e.V.

"Kult-Tour 2" - Der Südosten Bedburgs, 1995